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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung, mit besonderer Rücksicht auf Schiller
GA 2

3. Die Aufgabe unserer Wissenschaft

Von aller Wissenschaft gilt zuletzt das, was Goethe so bezeichnend mit den Worten ausspricht: «Die Theorie an und für sich ist nichts nütze, als insofern sie uns an den Zusammenhang der Erscheinungen glauben macht.» Stets bringen wir durch die Wissenschaft getrennte Tatsachen der Erfahrung in einen Zusammenhang. Wir sehen in der unorganischen Natur Ursachen und Wirkungen getrennt und suchen nach deren Zusammenhang in den entsprechenden Wissenschaften. Wir nehmen in der organischen Welt Arten und Gattungen von Organismen wahr und bemühen uns, die gegenseitigen Verhältnisse derselben festzustellen. In der Geschichte treten uns einzelne Kulturepochen der Menschheit gegenüber; wir bemühen uns, die innere Abhängigkeit der einen Entwickelungsstufe von der andern zu erkennen. So hat jede Wissenschaft in einem bestimmten Erscheinungsgebiete im Sinne des obigen Goetheschen Satzes zu wirken.

Jede Wissenschaft hat ihr Gebiet, auf dem sie den Zusammenhang der Erscheinungen sucht. Dann bleibt noch immer ein großer Gegensatz in unseren wissenschaftlichen Bemühungen bestehen: die durch die Wissenschaften gewonnene ideelle Welt einerseits und die ihr zugrunde liegenden Gegenstände andererseits. Es muß eine Wissenschaft geben, die auch hier die gegenseitigen Beziehungen klarlegt. Die ideelle und reale Welt, der Gegensatz von Idee und Wirklichkeit, sind die Aufgabe einer solchen Wissenschaft. Auch diese Gegensätze müssen in ihrer gegenseitigen Beziehung erkannt werden.

Diese Beziehungen zu suchen, ist der Zweck der folgenden Ausführungen. Die Tatsache der Wissenschaft einerseits und die Natur und Geschichte andererseits sind in ein Verhältnis zu bringen. Was für eine Bedeutung hat die Spiegelung der Außenwelt in dem menschlichen Bewußtsein, welche Beziehung besteht zwischen unserem Denken über die Gegenstände der Wirklichkeit und den letzteren selbst?