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The Rudolf Steiner Archive

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Aufsätze uber die Dreigliederung des sozialen Organismus
GA 24

Über «Erwiderungen» auf den «Matin»-Artikel

Als ich die wenigen «nachträglichen Bemerkungen» in Nr. 15 dieser Wochenschrift zu Dr. Sauerweins Wiedergabe eines Gespräches zwischen ihm und mir schrieb, hatte ich noch keine der Äußerungen gelesen, die in der Presse über den «Matin»-Artikel erschienen sind. Ich setzte voraus, jeder unbefangene Leser dieses Artikels müsse erkennen, daß in dem, was ich über von Moltkes mündliche oder schriftliche Aussagen mitgeteilt habe, etwas liegt, dessen rechte weitere Erörterung dazu führen müsse, daß die Welt nicht mehr von einer «Schuld» Deutschlands sprechen könne, sondern von einem tragischen Verhängnis. Denn durch diese Mitteilungen wird klar:

1. Daß die Verhältnisse Ende Juli 1914 in Deutschland die Entscheidung über die zu treffenden Maßnahmen in die Hand eines Mannes, des Generalstabschefs von Moltke geführt haben. Dieser durfte im entscheidenden Augenblicke nichts anderes tun als seine militärische Pflicht. Damit entfällt alles Reden über deutsche Kriegshetzer. Denn gerade von Moltkes Schilderung beweist, daß selbst, wenn solche Kriegshetzer vorhanden gewesen wären, sie auf von Moltkes Entscheidung ganz ohne Einfluß gewesen wären. Moltkes Schilderung ist nicht die einer Partei, sondern diejenige des Mannes, der mit feinst ausgeprägtem Verantwortlichkeitsbewußtsein gehandelt hat. Sein Wort kommt vor allen anderen in Betracht. Es ist nicht zur Belastung Deutschlands gesprochen.

2. Es geht aus der Wiedergabe von von Moltkes Aussagen hervor, daß dieser bis zu seinem Tode von einer Potsdamer Beratung (einem angeblichen Kronrat) am 5. oder 6. Juli nichts gewußt hat. Damit sind alle die Märchen, die an eine solche Beratung Entscheidendes geknüpft haben, widerlegt. Wie man sagen kann, ich tischte dieses Märchen weiter auf, ist mir unerfindlich.

3. Ich habe oft von von Moltke gehört, daß der Kriegsplan im wesentlichen von von Schlieffen herrühre. Wichtig erscheint, daß von Moltke betonte, er habe die Schlieffensche Absicht, mit dem rechten Flügel durch Südholland zu marschieren, fallen gelassen und lieber die großen technischen Schwierigkeiten auf sich genommen, die dadurch verursacht wurden, daß der rechte Flügel des deutschen Heeres sich durch den engen Raum zwischen Aachen und der Südgrenze der Provinz Limburg hindurdizwängen mußte. Daraus ist doch für jeden Unbefangenen klar ersichtlich, daß die deutsche Heeresleitung auf das allerernstlichste bemüht war, gegen Westen hin von dem, was dann als so schweres Unrecht angesehen worden ist, nicht um ein Häkchen mehr zu tun, als was sie nach der auf ihr lastenden Verantwortung tun mußte. Alles andere wäre Sache der politischen Leitung gewesen. Zum Beleg dieser Tatsache kann dienen, daß von Schlieffen mehr für notwendig gehalten hat. Daraus, daß vor mehr als einem Jahrzehnt vor Kriegsausbruch die Absicht bestanden hat, durch Holland zu marschieren, kann doch wahrhaftig für die Ereignisse von 1914 nichts geschlossen werden. Deutschland damit belasten zu wollen, ist einfach lächerlich.

4. Wer von Moltke kannte, sollte wissen, daß von seinen Lippen in allen diesen Dingen keine Unwahrheit kommen konnte. Aber es ist für die Welt wichtig zu wissen, wie er sich in seine Umgebung in derjenigen Stunde hineingestellt fand, die er wie kein anderer als Deutschlands Schicksalsstunde ansah. Verschweigen, was zwischen ihm und seiner Umgebung sich abspielte, heißt der Welt das Wichtigste vorenthalten, was zur Beurteilung des Kriegsausbruches gewußt werden kann. Andere mögen, vielleicht um diesen oder jenen zu schonen, anders denken. Aber sie sollten demjenigen, der nun einmal nicht ihrer Meinung sein kann, nicht unlautere Absichten unterschieben.

Nun sind von den Presseäußerungen, die an den Artikel von Dr. Sauerwein angeknüpft worden sind, wohl diejenigen der «Deutschen Allgemeinen Zeitung» solche, die man am ehesten ernst nehmen kann.

Ich will gegenüber der Bemerkung des Generalmajors von Haeften, daß durch meine Mitteilungen ersichtlich gemacht werden soll: «Alle jene Männer, in deren Händen das Schicksal Deutschlands damals gelegen habe, seien mehr oder weniger Schwächlinge gewesen», nur dies sagen: Man braucht ja doch nur die vielen Memoiren zu lesen, die seit dem Kriegsende geschrieben worden sind, um zu ersehen, was sich «jene Männer» alles an die Köpfe werfen; und man wird dann doch bei unbefangenem Urteile kaum sagen: «Einer solchen Tendenz kann nicht ausdrücklich genug entgegengetreten werden.» Ich habe das Urteil von Moltkes wiedergegeben. Wer dafür Belege will, lese von Tirpitz' Memoiren. Was ich aber nicht gelten lassen kann, ist von Haeftens Satz: ... . denn Schwäche und Leichtfertigkeit in solcher Lage sind vielleicht belastender und eine größere Schuld als bewußter Kriegswille.» Kann man denn so sprechen, wenn man in der wirklichen und nicht in einer Gespensterwelt lebt? Was Deutschland vorgeworfen wird, ist «bewußter Kriegswille». In ihm sieht man seine Schuld. Kann man von bewußtem Kriegswillen nicht mehr sprechen, sondern nur von «légèreté» und «ignorance inconcevables» (unbegreiflichem Leichtsinn und Ignoranz), dann ist die Möglichkeit gegeben, darauf hinzuwirken, daß die Ansichten über die «Schuld» revidiert werden. Es ist übrigens bezeichnend, daß von Haeften nicht von dem spricht, was ich wirklich gesagt habe, sondern von «Schwäche und Leichtfertigkeit». Diese Worte habe ich in Deutschland oft gehört und gelesen; ich habe sie aber nicht gebraucht. Daß Leichtsinn und Ignoranz, also Eigenschaften, für die schließlich der nichts kann, der sie hat, eine «größere Schuld» begründen können als «bewußter Kriegswille», das wird erstens einem juristischen Denken schwer beizubringen sein, zweitens kann es, richtig angesehen, «in solcher Lage» wie die vom Juli 1914 wohl zum tragischen Verhängnis, aber eben nicht zur Verurteilung wegen «bewußter» Schuld führen.

Was nun Herr von Haeften des weiteren über von Moltkes Verhältnis zu mir behauptet, das könnte er besser wissen. Er sagt: «Der Generaloberst von Moltke stand, solange er im Vollbesitz seiner Gesundheit war, Herrn Steiner und seinen Bestrebungen völlig ablehnend gegenüber, wenn auch die unter dem Bann der Steinerschen Ideen stehende Frau von Moltke des öfteren versucht hatte, ihren Gatten im Steinerschen Sinne zu beeinflussen. Erst der seelisch und körperlich kranke Generaloberst zeigte sich Steiners Ideen bei dessen Besuch im Schloß Homburg im November 1914 zugänglich, und nach seinem Rücktritt von der Stellung als Chef des Generalstabes des Feldheeres hat er Herrn Steiner sein Vertrauen geschenkt, ein Vertrauen, das dieser ihm heute schlecht dankt.» Diese Behauptungen über mein Verhältnis zu Herrn von Moltke sind sämtlich objektive Unwahrheiten. Wahr ist vielmehr das Folgende. Ich verkehrte seit 1904 im Hause des Herrn von Moltke. Ich wurde zu jedem einzelnen Besuch eingeladen. Die Einladung ging nicht etwa bloß von Frau von Moltke aus, sondern auch von Herrn von Moltke. Ich habe die allergrößte Verehrung für Herrn von Mol tke. Aber ich habe mich nie aufgedrängt. Die oft viele Stunden lang dauernden Unterhaltungen umfaßten immer Weltanschauungsfragen. Herr von Moltke war eben aufgeklärt genug, zu ersehen, daß meine Weltanschauung aller nebulosen Mystik ganz ferne steht und auf sicheren Erkenntnisgrundlagen ruhen will. Er wäre gar nicht leicht zu «beeinflussen» gewesen, auch wenn ich das versucht hätte. Er sah aber, daß ich auf «Beeinflussung» gar nicht ausgehe. Er sagte mir nicht einmal, sondern sehr oft: «Ihre Weltanschauung befriedigt den Verstand, weil bei ihr der Fall ist, was mir noch bei keiner anderen vorgekommen ist, alle Dinge tragen einander und fügen sich ohne Widerspruch ineinander.» Er hatte, weil sein Denken durchaus gesund war, auch gesunde Skepsis und kam über vieles nicht leicht hinweg. Immer wieder kamen ihm Zweifel. Aber auch den Zweifeln gegenüber machte er stets den oben angeführten Satz geltend. Er sagte mir auch: «Wenn die Leute mit der heute üblichen Bildung von Ihren Ansichten erfahren, dann werden Sie schöne Dinge zu erleben haben.»

Dieses Verhältnis bestand seit 1904 von Herrn von Moltke zu mir; und darin hat sich durch meinen, auch auf Einladung erfolgten Besuch in Homburg nicht das geringste geändert. Er hat mir vom Homburger Besuch bis zu seinem Tode nicht weniger und nicht mehr Glauben geschenkt als durch zehn Jahre vorher. - Ob ich, nach seiner Ansicht, auf die es mir allein wirklich in dieser Sache ankommt, sein Vertrauen ihm schlechter danke als jemand, der davon spricht, daß von Moltke sich mit mir nur unterhalten habe, weil er seelisch und körperlich krank war, und der doch auch dessen Vertrauen genossen hat, darüber will ich gar nicht streiten. Mir fällt nur auf, daß jemand, der «in der dienstlichen Umgebung» des Generalobersten von Moltke bei Kriegsausbruch und während seines Aufenthaltes in Homburg war, von dem «Rücktritt von der Stellung als Chef des Generalstabes des Feldheeres» spricht, ohne zu fürchten, mit dieser Formulierung eine bedenkliche Phrase zu gebrauchen.

Daß durch den Sauerweinschen Artikel das Märchen vom Kronrat am 5. Juli widerlegt wird, habe ich oben schon gesagt. Wenn gesagt wird, ich hätte verschwiegen, daß Generaloberst von Moltke von dem Kronrate nichts wissen konnte, weil er niemals stattgefunden hat, so erscheint mir das als Wortklauberei, denn wenn Herr von Moltke von einer solchen Sache nichts gewußt hat, so kann auch nichts stattgefunden haben, was von einer Bedeutung gewesen wäre.

Daß heute Holland in einen neuen französischen Propagandafeldzug bezüglich der Schuldfrage von vernünftigen Leuten nicht hineingezogen werden kann, weil gesagt worden ist, Herr von Moltke wollte eben von einem Durchmarsch durch Holland absehen, das scheint mir, wie ich oben gesagt habe, durchaus klar. Herrn von Moltkes Worte beweisen eben, daß lange vor 1914 von einem solchen Durchmarsch abgesehen worden ist, trotzdem Herr von Schlieffen, den auch Herr von Moltke als große militärische Autorität angesehen hat, glaubte, ein solcher könnte notwendig sein. Ganz belanglos aber ist nicht, daß dieser Durchmarsch, von dem auch Herr von Haeften zugibt, daß von Schlieffen ihn in den «Kreis seiner Erwägungen» gezogen hat, nur unter der Voraussetzung hätte verwirklicht werden sollen, wenn «Holland im Falle eines Kriegsausbruches freiwillig auf deutsche Seite treten würde». So sagt Herr von Haeften. Dies wird niemand bestreiten. Und wenn, wie es vom militärischen Standpunkte durchaus zugegeben werden muß, dies eine Entlastung für Deutschland ist, so darf auch behauptet werden, daß bei weiterer Prüfung dieser Angelegenheit die Erwähnung der von Schlieffenschen Absichten bezüglich Hollands auch den Durchmarsch durch Belgien in einem anderen Lichte erscheinen lassen müßte, als in dem, in welchem man ihn bisher allein gesehen hat. Denn diese Voraussetzung trifft auch innerhalb gewisser Grenzen für Belgien zu. Herr von Moltke rechnete damit, daß Belgien zwar sich nicht auf deutsche Seite stellen werde, aber doch sich soweit freundlich zeigen werde, daß es dem Durchmarsch keinen Waffenwiderstand entgegensetzen werde. Es ist deshalb gar nicht so unbedingt sicher, daß Deutschland auf alle Fälle durch Belgien marschiert wäre, wenn die Dinge in den entscheidenden Tagen sich nicht einfach überstürzt hätten. Wie über diese Dinge politisch zu urteilen ist, das habe ich hier nicht zu erörtern, trotzdem ich weiß, daß die belgische Neutralitätsgarantie eine ganz besondere war; denn ich habe nicht darüber mit Dr. Sauerwein gesprochen, sondern nur über die Auffassung Herrn von Moltkes.

Die von Herrn von Haeften erwähnten Datenverschiebungen, die sich in dem Sauerweinschen Artikel finden, sind in Nr. 15 dieser Wochenschrift richtiggestellt. Was von Haeften an Einzelheiten zu dem im «Matin»-Artikel Gesagten hinzufügt, widerspricht im wesentlichen nicht dem dort Gesagten; ergänzt es sogar und bestätigt es in wesentlichen Punkten. Herr von Haeften sagt: «Die Behauptung des Herrn Steiner, daß Generaloberst von Moltke sich geweigert habe, einen ihm durch einen Flügeladjutanten überbrachten diesbezüglichen Befehl des Kaisers gegenzuzeichnen und den Offizier zurückgeschickt habe, ist freie Erfindung. Der Generaloberst von Moltke hat lediglich einem entsprechenden Befehlsentwurf des Chefs der Operationsabteilung (Oberstleutnant Tappen) die Unterschrift verweigert.» Zu korrigieren ist da doch nichts anderes als der «Flügeladjutant», denn auch ich habe nicht behauptet, daß der «Befehlsentwurf» vom Kaiser eigenhändig geschrieben war. Und daß über Flügeladjutanten ein Offizier besser Bescheid weiß als Sauerwein, das gebe ich gerne zu. Von Moltkes eigene Worte darüber sind: «Wie mir die Depesche an die 16. Division vorgelegt wurde, die den telephonisch gegebenen Befehl wiederholte, stieß ich die Feder auf den Tisch und erklärte, ich unterschreibe sie nicht.» Herr von Haeften betont: «Der General von Moltke war trotz mancher gegensätzlicher Auffassungen, namentlich während der letzten Lebensjahre, ein seinem Kaiser in unwandelbarer Treue ergebener Soldat.» Dem ist vollinhaltlich beizustimmen. Man kann sogar noch mehr sagen. Von Moltke war einer der allerbesten Diener seines Kaisers. Und als Mann, der sich stets seiner Verantwortung voll bewußt war, hielt er sich nie davor zurück, dem Kaiser diejenigen Ratschläge zu geben, die er als die für diesen am besten geeigneten hielt, auch wenn sie den Meinungen des Kaisers zuwiderliefen. Aber das ist es gerade, was von Moltkes Aussprüche, die vollkommen richtig wiedergegeben sind, so wertvoll macht. Es hat sie nicht ein Gegner des Kaisers gemacht, sondern es hat sie sich einer der treuesten Diener aus der Sache heraus abgerungen. Wer da glaubt, daß von Moltke aus Groll oder Verbitterung gesprochen hat, der verkennt doch den Generalobersten. Ihn hat niedergeworfen alles, was er von Ende Juli 1914 an erlebt hat; nie aber war er in einem Zustand, der als seelische Erkrankung in dem Sinne bezeichnet werden darf, wie es jetzt diejenigen tun, die glauben, seine Aussprüche mit seiner Seelenverfassung entschuldigen zu müssen.

Was er gesagt hat, ist meiner festen Überzeugung nach geeignet, alle bisherige Diskussion über die «Schuldfrage» auf eine Grundlage zu stellen, auf der sie ja nicht die gegenwärtigen Machthaber der Siegerstaaten haben wollen, aber für die in aller Welt immer mehr vernünftige Menschen werden zugänglich sein. Ich kann gar nicht verstehen, warum für eine solche Erwägung Herr von Haeften, den ich als vernünftigen Mann kennengelernt habe, heute nicht zugänglich ist. Man sollte doch erkennen, daß das deutsche Volk gerade dann am meisten wird «auszubaden» haben, wenn solche Dinge zu sagen, wie sie von Moltkes Auffassung entspringen, immer wieder als Vergehen hingestellt wird. Das deutsche Volk hat nicht nötig, mit der Wahrheit zurückzuhalten. Geschadet haben ihm bisher am meisten diejenigen, die glaubten, das tun zu müssen. Die Wahrheit wird das deutsche Volk nicht belasten, sondern entlasten. Das hätte man einsehen sollen in den Tagen, die dem Versailler Frieden vorangingen. Das sollte man heute wieder einsehen. Diejenigen, welche die deutschen Politiker von 1914 verteidigen wollen, sollten doch erinnert werden, was von Tirpitz in seinen «Erinnerungen» schreibt. Zum Beispiel Seite 242: «Der Eindruck von der Kopflosigkeit unserer politischen Leitung wurde immer beunruhigender. Der Durchmarsch durch Belgien schien ihr vorher nicht (er meint in der Nacht vom 1. zum 2. August) eine feststehende Tatsache gewesen zu sein. Seit der russischen Mobilmachung machte der Kanzler den Eindruck eines Ertrinkenden... . Während sich die Juristen des Auswärtigen Amtes in die Doktorfrage vertieften, ob wir nun schon mit Rußland im Kriege stünden oder noch nicht, stellte sich nebenbei heraus, daß man vergessen hatte, Österreich zu fragen, ob es mit uns gegen Rußland kämpfen wollte.» Seite 245 sagt derselbe von Tirpitz: «Nach dem Weggang des Kanzlers aus der Sitzung beklagte sich Moltke beim Kaiser über den <deplorablen> Zustand der politischen Leitung, die keinerlei Vorbereitungen für die Lage besäße und jetzt, da die Lawine im Rollen wäre, immer noch an nichts als juristische Noten dächte.» Und Männern, über die einer (von Tirpitz), der mit ihnen gearbeitet hat, so sprechen muß, soll das deutsche Volk nicht Kritik, sondern «Dank» entgegenbringen. Es soll sich genügen lassen mit der Meinung, daß sie «durchaus logisch und pflichtgemäß gedacht und gehandelt haben». Seite 248 sagt von Tirpitz: «Die moralische Schuldlosigkeit unserer damaligen Regierung kann aber nur klargelegt werden durch eine offene Darstellung ihrer diplomatischen Unzulänglichkeit.....

Von Moltkes Ansichten und Aussagen liegen durchaus in der Richtung, in der diese Dinge klargelegt werden müssen. Bringt man sie zur richtigen Erörterung, so können sie ihre Wirkung nicht verfehlen. Werden sie aber so erörtert, wie das bisher geschehen ist, so geschieht natürlich gerade dadurch etwas, was das deutsche «Volk wird ausbaden müssen», wie es leider wahrhaftig schon genug «ausbaden» muß.

Ob man ein Recht hat, von «politischen Dilettanten» so zu sprechen, wie es Herr von Haeften tut, mit dem Hintergrund, der unter anderem auch mit von Tirpitz' Worten Seite 248 gegeben ist, muß doch ernstlich in Frage gestellt werden. Da steht, daß die Politiker von 1914 «gefehlt haben» ... «durch Mangel an geradem und klarem Denken.»

Über persönliche Verunglimpfungen, wie sie liegen in Sätzen von meiner «Sucht, eine politische Rolle zu spielen», möchte ich vorläufig lieber schweigen. Von Herrn von Haeften, den ich einmal als einen vornehm denkenden Mann kennengelernt habe, hätte ich das Urteil nicht erwartet. Es scheint, als ob man Vorurteile nicht bloß von vorneherein haben kann, sondern als ob, auch wenn man sie einmal nicht gehabt hat, man sie sich hinterher auch erwerben kann.

Was ich gesagt habe, habe ich geglaubt nicht verschweigen zu dürfen, weil ich leider sehe, daß Persönlichkeiten, die ja gewiß die subjektive Meinung haben können, nicht die «Geschäfte der Feinde» zu besorgen, dies gerade dadurch tun, daß sie der Wahrheit durchaus nicht freie Bahn geben wollen. Ich muß es, nach meiner Auffassung, auch heute wieder erkennen, wie in dieser Richtung von manchen Seiten gesündigt wird.